Start des Projektes „Was geht mich das an?“
Erinnerung ist fragil - das gilt für die individuelle ebenso wie für die kollektive Erinnerung. Indem die Geschichte des Nationalsozialismus in zeitliche Distanz rückt, wird Erinnerungskultur vor neue Herausforderungen gestellt. Bereits heute gehört die Mehrzahl der BesucherInnen der ehemaligen Synagoge Laufersweiler der dritten oder vierten Generation an, die nach dem Krieg geboren wurde. Gespräche mit Zeitzeugen sind meist nicht mehr möglich und müssen durch andere methodische Zugänge ersetzt werden. Die Begegnung mit ihren Schicksalen und der Geschichte des Nationalsozialismus kann notwendigerweise nur eine Vermittelte sein.
Darüber hinaus wächst die Zahl der BesucherInnen, deren familiäre Wurzeln nicht in Deutschland liegen. Auch die Rhein-Hunsrück- Region ist geprägt durch diverse Ein- und Auswanderungsbewegungen und in den vergangenen vier Jahren besuchten vermehrt Geflüchtete aus dem Iran, Afghanistan oder Syrien den Gedenkort. BesucherInnen bringen also eigene Geschichten mit, z.T. eigene Erfahrungen von Diskriminierung, Flucht, Vertreibung und greifen auf andere familiäre oder nationale Narrative zurück. Diese sind andere Bezugspunkte als die der ‚deutschen Erinnerungsgemeinschaft‘, die sich bisher um familiäre Täterschaft konstituierte. Nicht selten stehen BesucherInnen der Begegnung mit der Geschichte des Nationalsozialismus daher distanziert gegenüber: Wofür ist die Erinnerung gut? Und was geht mich das eigentlich an?
Erinnerung ist beweglich – aus der Gegenwart blicken wir auf die Vergangenheit zurück, sie ist Veränderungen unterlegen. Jede Generation muss sich neue Zugänge zur Geschichte schaffen und eigene Formen des Erinnerns und des Gedenkens finden. Um einen Dialog anzustoßen darüber, wie eine moderne Erinnerungskultur aussehen kann, die der Vielfalt von Menschen und ihrer persönlichen Geschichten und Perspektiven gerecht wird, haben wir das Projekt „Was geht mich das an?“ ins Leben gerufen. In den kommenden eineinhalb Jahren werden wir Jugendliche aus unterschiedlichen religiösen und kulturellen Kontexten zusammenbringen und Geschichte gemeinsam neu entdecken. Abstandnehmend von Motiven wie Scham und Schuld möchten wir persönliche Anknüpfungspunkte erschließen und eine Bedeutung der Vergangenheit sichtbar machen, die für alle offen ist. Dabei geht es auch um das Gestalten des Zusammenlebens im Hier und Heute.
Das Projekt ist bereits in seine erste Arbeitsphase gestartet: Im Oktober werden wir mit einer Jugendgruppe die authentische Begegnung vor Ort suchen und wichtige Stationen deutscher Geschichte bereisen. Neben der nationalsozialistischen Vergangenheit wird auch die Entstehung der ersten deutschen Demokratie 1919 und das Leben mit der innerdeutschen Grenze zur Zeit des Kalten Krieges thematisiert werden.
Gefördert wird das Vorhaben durch die Initiative LandKULTUR des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Das Programm unterstützt innovative Projekte, die kulturelle Aktivitäten und kulturelle Teilhabe in ländlichen Räumen erhalten und weiterentwickeln. Der Förderkreis ehemalige Synagoge Laufersweiler e.V. ist Teil der Maßnahme und sieht darin die Möglichkeit die Gedenkarbeit in der Rhein-Hunsrück-Region weiter auszubauen und einen Beitrag für eine aktive und integrative Erinnerungskultur zu leisten.