Bücher
Hrsg. von Dr. Jochen Wagner und Manfred Stoffel für die beiden Kirchengemeinden Freie Evangelische Gemeinde und Evangelische Kirchengemeinde Kirchberg (Kirchberg 2018)
Die seit mehreren Jahren praktizierte Kooperation der Kooperativen Gesamtschule Kirchberg mit dem Förderkreis Synagoge Laufersweiler bringt jedes Jahr neue Früchte hervor: Jährlich fliegen Schüler und Schülerinnen nach Krakau, um dort zum einen ehemaliges und aktuelles jüdisches Leben in Krakau kennenzulernen, das sich langsam wieder entfaltet, zum anderen aber auch zum Vernichtungslager Auschwitz, wo jüdisches Leben ein Ende fand. In den Jahren 2017 und 2018 bereitete eine Schüler-AG unter der Leitung von Sonja Wendling und Christof Pies die Stolpersteinverlegung am 7.11.2017 akribisch vor. Dr. Wagner hatte die Anregung Stolpersteine auch in Kirchberg zu verlegen, in den Jugend- und Kulturauschuss eingebracht. Nachdem der Stadtrat einer Verlegung ebenfalls zugestimmt hatte, machte sich die AG an die Arbeit. Es zeigte sich bald, dass kein jüdischer Bürger von Kirchberg aus deportiert und ermordet wurde, sondern dass alle Kirchberger Juden die Stadt schon bis 1939 verlassen hatten. Die Gründe für diese Sonderstellung werden im Buch eindrucksvoll beleuchtet.
Das Buch gibt einen Überblick über die jüdischen Bewohner Kirchbergs und ihre Schicksale. Dieser Hauptteil wurde von Schülern recherchiert und zeigte, dass man heute dank neuer weltweiter Recherchemöglichkeiten im Internet nachvollziehen kann, was mit den Kirchberger Juden passierte. So kam die erschreckende Zahl von 85 Bürgern ans Tageslicht, die in den verschiedensten Ghettos, Arbeitslagern, Konzentrations- oder Vernichtungslagern den Tod fanden. Alle waren in Kirchberg geboren worden, hatten dort mindestens zeitweise gelebt oder waren mit Kirchbergern verheiratet.
Die Schüler organisierten auch eine Gedenkveranstaltung in der Aula der KGS und zusammen mit dem Arbeitskreis "Stolpersteine für Kirchberg" die eigentliche Verlegung. Ein besonderer Höhepunkt der Veranstaltungen waren die Lesungen und Begegnungen mit dem Zeitzeugen Harry Raymon, der als Harry Heymann in der Kappeler Straße 5 geboren wurde und schon 2014 einer Schülergruppe Rede und Antwort stand.
Getreu dem Motto des Arbeitskreises "Erinnern bedeutet offenlegen und ans Licht bringen" zeigt das Buch auf, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte. Karl Adolf Schneider, Sohn des 1939 in Buchenwald ermordeten Pfarrers Paul Schneider, gibt einen Einblick in das Leben seines Vaters. Christof Pies reflektiert die Arisierungen und die Versuche einer Wiedergutmachung nach 1945. Renate Rosenau wirft einen Blick auf die Zwangssterilisationen und Krankenmorde, die bis heute wenig aufgearbeitet sind. Ein Schülerinterview mit Harry Raymon und die künstlerische Behandlung des Thema mit Schülerinnen und Schülern bilden weitere Schwerpunkte des Buches.
So ist ein Buch entstanden, dass nicht nur die eigentliche Verlegung der Stolpersteine mit Gunter Demnig darstellt, sondern auch wie es zu diesem einmaligen Kulturbruch in Deutschland kommen konnte und wie dies unser Handeln bis heute beeinflussen sollte. Jochen Wagner betont deshalb in einem Nachwort die Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft: "Wir haben eine bleibende Verantwortung".
Die Gestaltung des Buches lag in den Händen von Carolin Manns, Hans-Werner Johann und Christof Pies vom Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrum für das Landjudentum in der ehmaligen Synagoge Laufersweiler.
Die Publikation zeichnet in zehn persönlichen Geschichten Flucht- und Wanderungsbewegungen der vergangenen 200 Jahre nach. Das Thema Flucht wird hier nicht in erster Linie als politisches Problem definiert, sondern als persönliche Schicksale in regionalen und lokalen Bezügen dargestellt.
Die Zusammenstellung betont die Vielfalt der Migrationsbewegungen: In mehreren Auswanderungswellen verließen im 19. Jahrhundert viele Hunsrücker ihre Heimat, um den ärmlichen Lebensverhältnissen zu entkommen und in Übersee, vor allem in Amerika und Brasilien, neue Chancen zu suchen. In biografischen Erzählungen werden außerdem die jüdische Emigration als Folge nationalsozialistischer Verfolgung, die Fluchtbewegungen von Deutschstämmigen aus Ost- und Südosteuropa am Ende des Zweiten Weltkrieges, die Zuwanderung der Aussiedler aus den zerfallenden Ostblock-Staaten, aber auch aktuelle Fluchtbewegungen aus Syrien, Afghanistan und dem Iran aufgegriffen.
Als historische Quelle eignen sich die Erzählungen allerdings nur bedingt. Stattdessen werden bewusst persönliche Eindrücke und ganz subjektive Empfindungen in den Fokus gerückt, um bei dem Leser Verständnis für die Bedeutung und die Auswirkung von Flucht und Migration auf das Leben des einzelnen Menschen zu wecken. Die Publikation wirft ihr Licht nicht nur auf die Auslöser und Bedingungen der Flucht, sondern berichtet auch eindringlich von dem „Danach“: der Sehnsucht nach einem sicheren Zuhause, Heimweh, Zweifel, die Angst vor dem Scheitern in einer fremden Welt und das Bewahren einer Idee von einer unmöglichen Heimat über Generationen hinweg. Die ausgewählten Biografien stehen beispielhaft für die Schicksale von Millionen anderer aus den unterschiedlichsten Ländern und Zeiten. Umsomehr wird deutlich, dass sich Fluchtgründe, und damit verbundene Ängste und Hoffnungen zu allen Zeiten gleichen.

Durch Zufall stieß Hans-Werner Johann im Stadtarchiv auf die Lageberichte der früheren Bürgermeisterei Kirchberg. Lange waren die Dokumente in Vergessenheit geraten und blieben von der Geschichtsforschung unbeachtet, dabei bieten sie ein seltenes und anschauliches Zeugnis der Zeit. Ab 1940 waren die Amtsbürgermeister des Kreises Simmern angehalten, den Regierungspräsidenten über die wichtigsten Vorkommnisse innerhalb des Regierungsbezirkes zu unterrichten. In 23 Berichten zeichnet Alfred Müller, der von 1940 bis zu seiner Einberufung 1943 die Geschäfte des Bürgermeisteramtes leitete, regionale Entwicklungen und die Stimmung in der Bevölkerung nach. Die monatlich erstatteten Berichte folgen einem immer gleichen Aufbau: Sie gliedern sich in Erläuterungen zur politischen Lage, zur wirtschaftlichen und ernährungspolitischen Situation, zu Veränderungen im Landschaftsbild und enthalten Beschreibungen anderer wichtiger Vorkommnisse allgemeiner Art. Zu keiner Zeit lässt Müller Zweifel an der grundsätzlichen Zustimmung der Bevölkerung zur Kriegsführung und der Unterstützung des NS-Regimes aufkommen. Durch Hans-Werner Johann sind die Dokumente nun erfasst und in dieser Publikation in ungekürzter Fassung zum ersten Mal zugänglich gemacht worden.




