Zwischen lauten und leisen Tönen - Deutsch-Israelischer Jugendaustausch

Im Juli ereignet sich etwas, dass nur noch selten in der ehemaligen Synagoge zu erleben ist: Ein Stimmengewirr erfüllt die Räumlichkeiten der Synagoge, neben Deutsch und Englisch ist da auch - Hebräisch! Gemeinsam erkundet eine Gruppe mit Jugendlichen aus Deutschland und Israel die Räumlichkeiten und Geschichte des Ortes.

Im Frühjahr 2019 war die Gruppe zum ersten Mal in der Wüste Negev zusammengetroffen. Im Januar hatte die Pit’hat Nitzana Community als Partner gewonnen werden können; die evangelische Kirchengemeinde Büchenbeuren und der Förderkreis ehemalige Synagoge Laufersweiler e.V. haben dieses Jahr das Projekt auf deutscher Seite begleitet. Insgesamt 18 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren nahmen an der außergewöhnlichen Begegnung teil, um das Land und Leben des jeweils anderen im direkten Austausch kennenzulernen.

Für fast alle ist der Besuch der ehemaligen Synagoge die erste Begegnung dieser Art: Eine Synagoge, aber ohne eine lebendige Gemeinde? Was hat dieser Gedenkort noch mit der ursprünglichen Funktion des Gebäudes gemein? Der Raum wirkt vertraut und fremd zugleich. Vor allem gibt er Anlass zum Fragenstellen. Die Großeltern einer Teilnehmerin lebten in einem kleinen Dorf in Franken, bis sie vor dem Nationalsozialismus fliehen mussten. Ähnlich könnte auch die Synagoge ausgesehen haben, die ihr Großvater freitags zum Schabbat besuchte. Auch für die anderen Teilnehmer ist dies ein Moment der Reflexion über Herkunft und die Bedeutung familiärer Wurzeln.

An den Aufenthalt in der ehemaligen Synagoge schließt der Besuch des jüdischen Friedhofs im benachbarten Sohren an. Spachteln, Besen, Gartenscheren werden aus dem Bus gepackt und kommen auf dem Gelände zum Einsatz. Gemeinsam befreien die Jugendlichen die Grabsteine von Moos und Kletterpflanzen, um die Namen der Verstorbenen wieder sichtbar zu machen. Von dem üblichen Stimmengewirr ist hier keine Spur; es handelt sich um einen der stilleren Momente des Austauschs. Gedankenverloren und in fast andächtiger Stimmung gehen die Jugendlichen Ihrer Arbeit nach.

„Geschichte und Natur“ bilden die inhaltlichen Schwerpunkte des Austauschs. Ob bei einer GPS-geführten Tour durch den Wald oder während des Besuchs bei einem Imker – neben dem Naturerlebnis kommen auch Themen wie Nachhaltigkeit, Naturschutz und Verantwortung zur Sprache. Leben die Jugendlichen unter unterschiedlichen klimatischen und ökologischen Bedingungen, hat ihr Handeln gleichermaßen globale Auswirkungen. Umweltschutz wird in Zukunft noch viel mehr eine gemeinsame Aufgabe sein. Auch ein Picknick im Garten von August und Jutta Dahl sensibilisiert die Jugendlichen für die Ausmaße ihres Handelns. In den 80er Jahren hatte das Ehepaar die Hunsrücker Friedensbewegung mitangestoßen und Demonstrationen gegen die Aufstellung von US-Atomwaffen auf der Militäranlage Pydna begleitet. Angeregt diskutieren die Jugendlichen mit dem Pastorenpaar: Wie geht man damit um, wenn Unrecht vor der eigenen Haustür passiert? Was sind wir bereit zu tun für ein friedliches Zusammenleben – auch gegen Widerstände unterschiedlichster Art?

Während des Austauschs stehen nicht nur ernste Themen auf dem Programm. Gemeinsame Ausflüge fördern das Kennenlernen und stellen den Teamgeist der Teilnehmer auf die Probe. Beim Kanufahren oder im Kletterparcours ist Kooperation gefragt. Den Höhepunkt der Begegnung bildet schließlich der gemeinsame Besuch der „Lott“. Bei dem Konzertangebot, das Bands aus aller Welt in das verschlafene Raversbeuren lockt, können die Jugendlichen deutsche Festival-Kultur erleben. Überraschender Hauptakt des Abends ist eine bekannte Gruppe aus Tel Aviv, Lucille Crew, die den Charme der israelischen Großstadt in den Hunsrück bringt.

Das Austauschprojekt ist ein gelungenes Zusammenspiel der leisen und lauten Töne. Seit über 20 Jahren bereits unterstützt der Förderkreis Synagoge Laufersweiler e.V. Jugendbegegnungen in Israel und Deutschland, denn sie sind ein Stück gelebte Geschichte. Durch gegenseitiges Kennenlernen können Perspektiven erweitert und Netzwerke geknüpft werden, die auf ein friedlicheres Miteinander in der Zukunft hinwirken.