Mazel tov! Themenweg "Landjudentum in Hottenbach" feierlich eröffnet

Ortsbürgermeister Hans-Joachim Brusius vor dem sogenannten Oberhof, der in napoleonischer Zeit das Bürgermeisteramt, die Mairie, beherrbergte.

Eine große Gruppe an Interessierten aus Nah und Fern begrüßte Ortsbürgermeister Hans-Joachim Brusius am 20. August in Hottenbach auf dem Dorfplatz, um gemeinsam die Eröffnung des Themenweges „Landjudentum in Hottenbach“ zu feiern. Intensiv hatte ein kleiner Arbeitskreis in den vergangenen Monaten an dem Projekt gearbeitet, das an diesem Nachmittag nun stolz präsentiert werden konnte: Ein ca. 2 km langer Rundweg führt über 10 Stationen durch das kleine Dorf, macht an geschichtsträchtigen und sehenswerten Orten Halt und erläutert Bezüge zur jüdischen Vergangenheit der Region. Unter den BesucherInnen befand sich auch Antisemitismus-Beauftragte Monika Fuhr, die das Engagement der Ortsgemeinde als „wertvollen Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitimus“ lobte. Das Projekt sei beispielhaft für die Erinnerungsarbeit auf lokaler Ebene, betonte Fuhr, die darin großes Potenzial für die Vermittlung an den umliegenden Schulen sieht.

Die Arbeit daran begann bereits Anfang 2021 als Hottenbach als eine von 10 Modellgemeinden für das Landesprojekt „Digitale Erfassung und Präsentation von Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz“, kurz „KuLaDig-RLP“ ausgewählt wurde. Ziel dieses Unternehmens ist es, das kulturelle Erbe in den teilnehmenden Kommunen zu erfassen, festzuhalten sowie digital sichtbar und nutzbar zu machen. Die Gemeinde Hottenbach entschied sich dazu, im Rahmen des Projektes seine einst rege jüdische Geschichte aufzuarbeiten:

Seit dem 18. Jahrhundert ließen sich immer wieder jüdische Familien in Hottenbach nieder. Etwa ein Fünftel der DorfbewohnerInnen gehörte im 19. Jahrhundert der jüdischen Glaubensgemeinschaft an. So zählte sie zu ihrer Hochzeit ca. 140 Mitglieder, was sie zu einer der wichtigsten jüdischen Gemeinden der Region machte. Lebten die jüdischen Familien zunächst am Rande des Dorfes und somit getrennt von ihren christlichen Nachbarn, folgte eine Zeit der zunehmenden Assimilation und sozialen Integration. Die in Hottenbach lebenden Jüdinnen und Juden waren eingebunden in die ausgeprägte Vereinskultur und unverzichtbar für das wirtschaftliche Leben und den Markt. Doch schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten schrumpfte die Gemeinde drastisch, sodass 1933 nur noch 9 Personen jüdischen Glaubens im Ort lebten. Noch heute weisen einige Objekte und Spuren auf das einst reiche jüdische Leben im Dorf hin, das der Themenweg wieder in Erinnerung bringen möchte.

Das komplette KuLaDig-Projekt, weitere Informationen, Videos und historische Fotografien zu den einzelnen Stationen finden Sie hier.

Besonderer Höhepunkt des Rundganges war der Stopp an der ehemaligen Synagoge in der Ringstraße, denn hier stimmten die israelische Klarinettistin Irith Gabriely gemeinsam mit Norman Reaves an der Geige die Beteiligten musikalisch ein. Das Duo wählte sowohl nachdenkliche Stücke in Form von sakraler Musik, um die Bedeutung des Ortes zu unterstreichen, als auch heitere Töne, die einen Eindruck von der Lebendigkeit jüdischer Kultur vermittelten. Darunter auch das heitere Hochzeitslied „Khosn Kale Mazel Tov“. Der Ausruf „Mazel Tov“, eigentlich ein Glückwunsch, sei in ihrem Haus auch immer sarkastisch verwendet worden, um ein Missgeschick zu kommentieren, erzählte Gabriely. Dies zeige, wie nah Glück und Unglück beieinander lägen. Die jüdische Kultur sei dadurch geprägt, dass auch bei feierlichen Anlässen stets daran erinnert werde, dass das Leben nicht nur freudige Ereignisse bereithalte.

In dem Gebäude aus rotem Backstein, das heute als Wohnhaus dient, war einst das Zentrum der jüdischen Gemeinde Hottenbachs. Im Volksmund als „Judeschul“ bekannt, diente dieses gleich mehreren Zwecken: Das Haus war sowohl Synagoge, war aber ebenso zeitweise jüdische Schule und Lehrerwohnung. Noch heute sind im Keller Spuren einer Mikwe, eines rituellen Bades erhalten. Basierend auf wenigen erhaltenen Fotos, Plänen und Zeitzeugenerzählungen entstand im Rahmen des Projektes eine von Thomas Schneider realisierte virtuelle Rekonstruktion des einstigen Bethauses. Wesentlich beteiligt war Joselyn Halibat aus Israel, deren Mutter als junges Mädchen in Hottenbach gelebt hatte.

 

Im Garten des Gasthauses Dahlheimer klang die Veranstaltung bei ausgelassener Stimmung aus. In dem lauschigen Kleinod am Ebesbach kam man zusammen, um den erfolgreichen Abschluss des Projektes bei Speis und Trank zu feiern. Neben nicht ganz so kosherem Spießbraten, der über dem Lagerfeuer brutzelte, wurde auch Schales mit Apfelmus serviert. Der Klassiker aus dem Hunsrücker Rezeptbuch, dessen Name auf die jiddische Bezeichnung Schalet zurückgeht, ist ebenso eine traditionelle Speise aus der jüdischen Küche. So wurde das Kartoffelgericht üblicherweise am Shabbat serviert, da dieses bereits vor Beginn des Feiertags vorbereitet und ohne weitere Arbeit fertig gegart und warmgehalten werden konnte. Auf einer Außenbühne begeisterten Gabriely und Reaves gemeinsam mit Peter Przystaniak (Klavier) als Ensemble Colalaila das Publikum. Die Gruppe spielte ein Repertoire von Klezmer, Klassik, Jazz und eigenen Kompositionen, die an diesem Abend auch einige Stücke aus dem Notenbuch des jüdischen Hunsrücker Musikers Samuel Baum umfassten. Dabei erzählte Irith Gabriely Anekdoten aus ihrem eigenen Leben und gewährte einen authentischen Einblick in die jüdische Kultur.

 

 

 

 

 

Foto links: Irith Gabriely und Norman Reaves spielten vor der ehemaligen Synagoge in Hottenbach und fordern die BesucherInnen zum Mitmachen auf. Foto Mitte: Wiedergefunden! Im Zuge des Projektes entdeckten die heutigen Besitzer der ehemaligen Synagoge eines der Rundbogenfenster, das einst dessen Portal schmückte. Foto rechts: Christof Pies (Förderkreis Synagoge Laufersweiler) beantwortete auf dem jüdischen Friedhof Fragen zur jüdischen Begräbniskultur (Foto: KuLaDig).