Erinnerungskultur und Politik
Dutzende Gedenkorte in Rheinland-Pfalz – meist in ehemaligen Synagogen wie in Laufersweiler – und drei staatliche Gedenkstätten (Hinzert, Osthofen, Neustadt) erinnern an den Terror der Naziherrschaft und das deutsch-jüdische Leben vor, während und nach dem Holocaust. Stolpersteine – das größte dezentrale Erinnerungsdenkmal der Welt – liegen mittlerweile in vielen Dörfern und Städten unserer Region. Manchmal denkt man allerdings, alle erinnerungspolitischen Aktivitäten seien umsonst und Menschen würden nichts aus der Geschichte lernen wollen. Rechtspopulisten verdrehen die Geschichte, leugnen NS-Verbrechen und fordern eine Abkehr vom sog. „Schuldkult“ oder wollen nur an die „guten“ Seiten deutscher Geschichte erinnern. Rechtsgerichtete Meinungsführer, Parteien und Organisationen bestimmen mit Hilfe sozialer Medien den Trend nach weniger Erinnerung und einer „erinnerungspolitischen Wende“ (Björn Höcke 2017) und lassen viele Jugendliche, Jung- und Erstwähler bei populistischen Parteien ihr Kreuzchen machen. So zum ersten Male bei den Juniorwahlen an Schulen und auch am Wahltag (23.2.2025).
Das Interesse an jüdischen Themen ist trotz allem bei Jugendlichen riesengroß. Im Widerspruch zu allen staatlichen und nicht-staatlichen Bemühungen ist das Basiswissen vieler Schülerinnen und Schüler erschreckend gering. Der Förderkreis hat bei regelmäßigen Umfragen in Schulklassen in der Synagoge einfaches Faktenwissen, aber auch Zustimmung bzw. Ablehnung zu gängigen Klischees, Vorurteilen und extremen Meinungen gefragt. Dabei ergibt sich ein sehr heterogenes Bild: Es gibt hervorragend informierte Jugendliche, aber kaum jemand weiß, dass 1933 nur ca. 0,75 % der deutschen Bevölkerung jüdischen Glaubens und damit Juden und Jüdinnen eine kleine Minderheit bildeten. Die Antworten schwanken meist um die 50%!! Mit dem Wort „Jude“ verbindet eine Vielzahl von Befragten „Opfer, Vergasung, Vernichtung, Hitler“. Das Wissen fehlt fast völlig, dass es über Jahrhunderte auch ein tolerantes Miteinander zwischen Christen und Juden gegeben hatte. Gerade die Geschichte von Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung von Juden und Jüdinnen auch auf dem Lande sollte doch als warnendes Beispiel dienen, wenn Menschenrechte und Völkerrecht nur noch hohle Begriffe sind.
Die Arbeit des Förderkreises ist also unausgesprochen auch eine gesellschaftspolitische. Der Förderkreis veranstaltete deshalb am 12.2.2025 zusammen mit dem Jugendparlament Simmern-Rheinböllen einen Diskussionsabend, zu dem alle Kandidaten für die Bundestagswahl (23.2.2025) eingeladen waren. Außer Guido Hübinger (Freie Wähler) folgten alle KandidatInnen der Einladung oder schickten einen Vertreter der Direktkandidaten: Dr. Marlon Bröhr (CDU), Detlef Barsuhn (Volt), Alexandra Erikson (Die Linke), Dominik Loch (Grüne/Bündnis 90), Jonathan Voss (FDP), Jörg Zirwes (AfD), Gregor Doege (ÖDP), Umut Kurt (SPD) stellten sich den Fragen der überwiegend jugendlichen Diskussionsteilnehmerinnen. Der Förderkreis hatte im Vorfeld viele Fragen zur Erinnerungskultur zusammengestellt: Erstaunlicherweise waren sich die Teilnehmer gerade bei den „Daumen-hoch-runter-Fragen“ weitgehend einig. Einzig auf die Frage, ob man Gedenkstättenbesuche für Schülerinnen und Schüler verpflichtend machen solle, verneinte der AfD-Kandidat. Eine souveräne Diskussionsleitung, wie sie Jannis Kaack und Lina Martin durchhielten, wünschte man sich bei vielen Talk-Shows.
Marlon Bröhr konnte sich dann wenige Tage später als Wahlkreiskandidat durchsetzen, während Jörg Zirwes und Julian Joswig (Gründe/Bündnis 90) über ihre Parteiliste in den Bundestag eingezogen sind.
Fotos: Lars Goll

Eine weitere sehr kontrovers geführte Diskussion hatten das Pro-Winzkino und der Förderkreis am 25.2.2025 anlässlich des von einem palästinensisch-israelischen Autorenkollektivs gedrehten Dokumentarfilms „No Other Land“ erwartet, mittlerweile Gewinner eines Oskars und mit vielen weiteren Filmpreisen überhäuft. Christof Pies gab vor Beginn eine kurze Einführung in die Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts und die Problematik der israelischen Siedlungspolitik in der Westbank mit Hilfe von Fotos, die Teilnehmende von Studienreisen des Förderkreises aufgenommen hatten. Er demonstrierte auch den zynischen und menschenverachtenden Umgang der Hamas mit der eigenen Bevölkerung und der Behandlung und Übergabe von Geiseln nach dem Überfall auf Ortschaften in der Nähe des Gazastreifens am 7.10.2023. Die Besucher des Films waren allerdings nach dem Film so sprachlos, dass eine weitergehende Diskussion über Antisemitismus und andere Konflikte ausblieb.