Ausstellungsparcours „Verluste“ in Oberwesel und Bacharach
Wie Juden am Mittelrhein gelebt haben, aber auch, wie sie unterdrückt, vertrieben oder gar vernichtet wurden, ist bislang nur fragmentarisch aufgearbeitet und in der Öffentlichkeit in der Region thematisiert worden. Bereits ab dem 10. Jahrhundert entstanden die ersten jüdischen Gemeinden in der Region. Ebenso weit reicht die unmenschliche Behandlung von Juden am Mittelrhein in der Geschichte zurück.
Von Samstag, 18. Juni, bis Sonntag, 24. Juli, präsentieren insgesamt acht verschiedene Stationen in Bacharach und Oberwesel unter dem gemeinsamen Titel „Verluste“ historische Hintergründe und persönliche Schicksale. Im Mittelpunkt stehen die Reflexion des Wernerkultes, jüdisches Leben auf dem Land, viele Familienbiografien sowie das „Rote Fenster“ des Künstlers Marl-Martin Hartmann und eine zeitgenössische Verarbeitung des nazistischen Deutschland von Ferdinand Frieß.
Das Ensemble ist ein einzigartiges Kooperationsprojekt einer Gruppe von engagierten Personen und Vereinen aus der Region. Veranstalter ist K.O.M. (Kulturnetz Oberes Mittelrheintal), gefördert wird das Projekt durch die Amadeu-Antonio-Stiftung und Felix Klein (Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus), Schirmherrin ist Monika Fuhr (Beauftrage für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen des Landes).
Eine Symbiose geht der Ausstellungsparcours mit dem parallel dazu stattfindenden Theater-Festival „An den Ufern der Poesie“ ein.
Zur Programmübersicht und zur Begleitbroschüre. Weiterführende Informationen sind auch über die Website https://juedisches-leben-am-mittelrhein.de erhältlich.
Über Theaterfestival und Ausstellungsparcours berichtete am 10. Juli SWR-Landesart:
Jüdisches Leben und jüdische Kultur am Mittelrhein
Die Wanderausstellung, kuratiert von Carolin Manns vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler, erhielt besonderen Zuspruch während des Ausstellungsparcours "Verluste" und des Theaterfestivals "An den Ufern der Poesie". Tausende Besucher- und TouristInnen aus aller Welt informierten sich über jüdisches Landleben. Carolin Manns (ganz rechts) hält den Besuch des mitwirkenden Heinrich-Heine-Chores im Bild fest.
Am Aufgang zur Wernerkapelle in Bacharach informiert die Wanderausstellung „Jüdisches Leben im Hunsrück“ über die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Rhein-Hunsrück-Region und am Mittelrhein. Sie gewährt Einblicke in die jüdische Lebensweise und Kultur auf dem Land, religiöse Traditionen und Einrichtungen, das berufliche Leben der Juden als Viehhändler und Kaufleute, und kommt auch nicht umhin, dessen unwiederbringlichen Verlust deutlich zu machen. Thematisiert werden daher auch verschiedene Formen des Judenhasses und die Verfolgung unter dem Hakenkreuz, die in der geplanten Vernichtung der europäischen Juden ihren schrecklichen Höhepunkt fand.
Ebenfalls vom Förderkreis gestaltet wurde ein Schaufenster in der Oberstraße 42, das einen gedeckten Schabbes-Tisch zeigt, und damit auf die Bedeutung dieses ganz besonderen Feiertages für die Bewahrung der jüdischen Kultur verweist. Nur wenige Schritte entfernt, locken jüdisch-sakrale Gesänge in die katholische Josefskapelle. Sie begleiten die virtuelle Rekonstruktion der Synagogen in Simmern und Hottenbach, welche seltene, intensive Eindrücke dieser einstigen religiösen Versammlungsstätten ermöglichen.
„Der Wernerkult und das Schicksal der Oberweseler Juden“
Der Initiator der Ausstellung, Dr. Walter Karbach, und die Mit-Kuratorin Carolin Manns vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler, bereiten das Altarbild vom "Hl. Werner" in der Schatzkammer der Martinskirche für die Ausstellung vor.
Foto: Werner Dupuis
In diesem Zusammenhang widmet sich erstmals auch eine Sonderausstellung im Kulturhaus Oberwesel dem Märtyrerkult um den sogenannten „Heiligen Werner“. In 48 teils hochwertigen Exponaten wird der in Oberwesel bis 1971 bestehende antijüdische Kult um das angebliche Ritualmordopfer kontextualisiert. Die Ritualmordlüge besagt, dass ein christlicher Junge 1287 von seinen jüdischen Brotherren in Oberwesel ermordet, "geschächtet" und bei Bacharach verscharrt worden sei. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Legende durch Wunderberichte, Wallfahrtskirchen, Prozessionen, Reliquienverehrung und künstlerische Darstellungen zu einem Lokalkult verdichtet, der bis ins 20. Jahrhundert hinein lebendig blieb. An 13 weiteren Stationen, die im Museum verteilt sind, wird das Schicksal der Oberweseler Juden als Kontrapunkt zur Verehrung dargestellt. Kuratiert wurde diese von Walter Karbach, Doris Spormann und Carolin Manns.
Theater mit nachdenklichen Impulsen
"Der Rabbi von Bacherach" an einer der eindrucksvollsten Stationen am Rhein im heutigen Bacharach: Der Rabbi bringt sich und seine Ehefrau Sarah stromaufwärts nach Frankfurt in Sicherheit angesichts drohender Progrome infolge des Todes von Werner von Womrath aus dem Hunsrück.
Der Ausstellungsparcours begleitet in diesem Jahr das biennal stattfindende Theaterfestival „An den Ufern der Poesie“, das vom 1. bis zum 17. Juli in Bacharach gastiert. Seit 2015 bringt das Theater Willy Praml aus Frankfurt seine Inszenierungen in die Stadt am Rhein. Damals legte das Ensemble den Grundstein für das Festival mit seinen Aufführungen von Heinrich Heines „Der Rabbi von Bacherach“, das seither den Mittelpunkt der Theaterveranstaltung bildet. Ergänzt wird das Programm von weiteren Inszenierungen, die ganz im Zeichen von „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ Bezug zur jüdischen Geschichte in Deutschland und der Region nehmen. Darunter befinden sich ebensfalls Heines „Ich rede von der Cholera“ sowie eine musikalische Lesung von „Die Judenbuche“ und „In Auschwitz gab es keine Vögel“. In ergänzenden Podiumsdiskussionen werden die nachdenklich stimmenden Inszenierungen kritisch beleuchtet und inhaltlich aufgearbeitet. Termine und weitere Informationen zum Theaterfestival unter https://www.mittelrheinfestival-poesie.com.