Überall wo sich Juden niederließen, waren sie bestrebt, neben einem Betraum oder einer Synagoge mit kleiner Mikwe (rituelles Tauchbad) ein Grundstück zu erwerben, auf dem sie ihre Toten beerdigen konnten. Nach jüdischer Glaubenslehre müssen Tote unantastbar bleiben, weshalb die Friedhöfe und Gräber nicht aufgehoben werden, sondern auch über Jahrhunderte hinweg immer weiter wuchsen und wachsen. Es handelt sich daher um die ältesten Zeugnisse jüdisch-deutscher Kultur, die sogar den Nationalsozialismus vielerorts überstanden haben. Heute sind sie für die genealogische Forschung von unschätzbarem Wert.
Trennung von Leben und Tod
Seit dem 11. Jahrhundert bestehen Friedhöfe auch entlang des Mittelrheins. Im Rhein-Hunsrück-Kreis sind es die einstigen Reichsstädte Boppard und Oberwesel, welche die ältesten Spuren jüdischer Besiedlung und damit auch Begräbnisplätze aufweisen. Die heutigen bekannten Landfriedhöfe befinden sich nach religiösem Brauch außerhalb der Ortschaften, denn die Nähe oder der Kontakt zu Toten gilt als unrein. Die Lage spiegelt an vielen Orten jedoch auch die Tendenz wider, den jeweiligen jüdischen Gemeinden unfruchtbares oder nur schwer zugängliches Land zur Verfügung zu stellen. Die seit französischer Zeit (1794-1815) in manchen Städten übliche Praxis, Gräber von Juden auf den kommunalen Friedhöfen durch eine Abgrenzung zu separieren, findet sich im Hunsrückraum nicht. Mündliche Überlieferungen wie z.B. Redensarten und Flurbezeichnungen weisen hingegen darauf hin, dass vereinzelte Dorffamilien wohl auch im Wald ihre Toten begruben.
Die folgende Slideshow zeigt eine Auswahl an Grabstätten der zehn noch sicht- und besuchbaren jüdischen Friedhöfe aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis. Sie geben exemplarisch weitere Einblicke in die jüdische Begräbniskultur, Grabmalsymbolik und damit verbundene Traditionen und Bräuche.
Bis zum Jüngsten Tag?
Friedhöfe werden nach jüdischem Recht für die Ewigkeit angelegt. Auch wenn Grabsteine abgeräumt oder Gelände bebaut wird, handelt es sich weiterhin um einen Friedhof. Der Tote/die Tote soll an diesem Platz mit Leib und Seele in Ewigkeit ruhen, bis der Messias kommt und ihn/sie erlöst. Darauf weist auch die hebräische Bezeichnung Beth Olam, also "Haus der Ewigkeit" hin.
Leider ist das Bewusstsein für die Unterschiede zwischen jüdischer und christlicher Bestattungskultur an vielen Orten nicht vorhanden: Jüdische Friedhöfe sind überbaut oder gar Grabsteine komplett abgeräumt worden. In vielen Fällen haben Steinmetze und Bildhauer mit behördlicher Genehmigung Grabsteine für andere Zwecke umgearbeitet oder sie sind in Mauern verbaut. Vandalismus und antisemitische Schmierereien kommen bis heute immer wieder vor und haben den Grabstätten massiv zugesetzt. Hinzu kommen bewusste Vernachlässigung, Gedankenlosigkeit, natürliche Verwitterung, Wildschäden, Stürme oder saurer Regen.
Die 401 jüdischen Friedhöfe sind in den meisten Landgemeinden die einzigen noch erhaltenen Zeugnisse der deutsch-jüdischen Kultur in Rheinland-Pfalz. Sie sind religiöse Kultstätten, Erinnerungsorte für Verwandte und Bekannte, aber auch unter staatlichem Schutz stehende Denkmale.
Man spricht bei fast allen ländlichen Friedhöfen von „verwaisten“ Grabstätten, da es keine Angehörigen mehr gibt, die sie pflegen und auch keine jüdischen Gemeinden mehr, die sie nutzen könnten. Die Pflege übernimmt die jeweilige nächstgelegene jüdische Gemeinde oder in deren Auftrag die Zivilgemeinde oder Privatpersonen.