SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler zu Besuch in der ehemaligen Synagoge
Dynamisch startete der Förderkreis mit gleich zwei Veranstaltungen in den September. Der Europäische Tag der jüdischen Kultur (4.9.) und der Tag des Offenen Denkmals (11.9.) zogen viele Besucher nach Laufersweiler. Darunter war auch ein ganz besonderer Gast: SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler machte auf ihrer Sommertour unter dem Motto „Demokratische Vielfalt“ Halt in der ehemaligen Synagoge. Bereits im Juli hatte sie mit ihrer Reise durch das ganze Land begonnen, auf der sie Menschen, Einrichtungen und Institutionen kennenlernen wollte, die sich in Rheinland-Pfalz für die Demokratie und deren Stärkung einsetzen. Da war der Europäische Tag der jüdischen Kultur wie gemacht für einen Besuch beim Förderkreis Synagoge Laufersweiler.
Begleitet wurde Frau Bätzing-Lichtenthäler von Parteigenossin Tamara Müller aus Morbach, die an diesem Wochenende ihren Wahlkreis präsentierte. Tamara Müller ist seit März 2021 nicht nur Mitglied des Landtages, sondern etwa ebenso lange Mitglied des Förderkreises, den sie u.a. in der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten (LAG) vertritt. Die Erinnerung an das Landjudentum in ihrer Heimatregion liegt der studierten Medizinerin am Herzen, weshalb sie nicht zum ersten Mal in Laufersweiler zu Besuch ist. Als lokale politische VertreterInnen des Rhein-Hunsrück-Kreises waren außerdem Wolfgang Wagner (Vorsitzender CDU-Kreistagsfraktion), Katharina Monteith (Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion) und Klaus Gewehr vertreten.
Foto links: Das Portal der ehemaligen Synagoge erinnert seit der Restaurierung 1987 wieder an das einstige Erscheinungsbild. Foto rechts: Vor dem Erinnerungsort "Gelebtes Leben, geraubtes Leben" - Christof Pies ist vertieft in das Gespräch mit den Besuchern (von links) Klaus Gewehr, Wolfgang Wagner, Katharina Monteith, Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Tamara Müller (Fotos: SPD-Landtagsfraktion RLP).
Bei schönstem Wetter begrüßte der Vorsitzende Christof Pies die Gäste bereits draußen vor der Tür. Gegenüber der Synagoge, dort wo er am liebsten beginnt, da man den besten Blick auf das Eingangsportal der Synagoge und einen Eindruck von dem gesamten Gebäude erhält, startete er mit seiner Einführung in die Geschichte der jüdischen Gemeinde. Dank einer umfassenden Restaurierung 1987, in dem das Haus zu seinem ursprünglichen Erscheinungsbild zurückgebaut wurde, erstrahlt das Gebäude heute wieder in altem Glanz – die erste große Errungenschaft des Förderkreises, mit der die Erinnerungsarbeit ihren Anfang genommen hatte. Zur Zeit seiner Erbauung 1911 war das Synagogengebäude ein eindrucksvoller Bau, der das Selbstbewusstsein der Glaubensgemeinschaft sichtbar nach außen präsentierte. Ganz im Gegensatz dazu steht der Erinnerungsort „Gelebtes Leben, geraubtes Leben“ auf einer kleinen Grünfläche hinter der Synagoge, den die Gruppe im Anschluss besuchte. 25 Stelen repräsentieren hier das Leben von Laufersweiler BürgerInnen, die während der Zeit des Nationalsozialismus gewaltsam zu Tode kamen. Mit Ernsthaftigkeit blickten die BesucherInnen auf die simple doch eindrucksvolle Installation, die sowohl die Schmerzhaftigkeit der individuellen Schicksale als auch den großen Verlust der jüdischen Kultur in ihrer Gesamtheit verdeutlicht.
Stolz präsentierte Pies den Gedenkraum, der mit Informationstafeln und einer Objektsammlung Einblicke in die jüdische Religion und Kultur auf dem Lande gewährt. Während der Innenraum in Laufersweiler seine einst sakrale Ausstrahlung eingebüßt hat, konnte die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge Simmern den Gästen einen kleinen Eindruck von den Bethäusern der Landgemeinden vermitteln. Pies betonte, dass man in Laufersweiler zwangsläufig über die Zerstörung der jüdischen Land-Gemeinde sprechen müsse, man in erster Linie jedoch an das Leben an diesem Ort erinnern wolle. Unterstrichen wurde dies von der aktuellen Sonderausstellung, die in ca. 20 Biografien jüdische Schicksale aus der Rhein-Hunsrück-Region vorstellt. Gekennzeichnet sind diese durch eine große Vielfalt: Erzählt wird aus dem schillernden Leben des Pantomime-Künstlers Harry Raymon aus Kirchberg ebenso wie vom Wirken des Reformrabbiners Samuel Hirsch in Kanada, der einer traditionellen Gemeinde aus Thalfang entstammte.
Foto links: Die Gruppe im Gespräch im früheren Sakralraum der Synagoge (Foto: SPD-Landtagsfraktion RLP). Foto rechts: Die Thora-Nische aus der virtuellen Rekonstruktion der Synagoge Simmern - So könnte der Raum vor 100 Jahren auch in Laufersweiler ausgesehen haben.
„Wo bleiben in dieser Schau eigentlich die weiblichen Geschichten?“ fragte Sabine Bätzing-Lichtenthäler interessiert und leitete damit einen kurzen Exkurs über die Rolle der Frau im Judentum ein. Die jüdischen Landgemeinden seien in ihrer Ausrichtung sehr traditionell orientiert gewesen, wusste Pies daraufhin zu berichten. Das Amt des Rabbiners oder auch andere offizielle Funktionen in die Hände einer Frau zu übergeben, sei damals unvorstellbar gewesen. Auch Frauen seien zum Gottesdienst gegangen, doch die Empore, die es in Laufersweiler einst gegeben habe, weise darauf hin, dass auch hier eine strenge Geschlechtertrennung geherrscht habe. Der Minjan, die Mindestzahl der Gottestdienst-Teilnehmer, bestand allein aus Männern und auch die Religionsmündigkeit sei mit einer Bar Mitzwa nur bei Jungen gefeiert worden. Es seien jedoch die Frauen gewesen, welche die Familien zusammenhielten, sich um Haus und Hof sorgten, die Kinder erzogen und gemeinsam mit ihren Männern oder auch während ihrer Abwesenheit alleine Geschäfte führten. Darüber hinaus oblag es den Frauen – in den Landgemeinden noch mehr als in den Städten – die jüdische Tradition über religiöse Rituale und Feste von Generation zu Generation zu pflegen und weiterzutragen. Sobald es um individuelle weibliche Schicksale gehe, sei auch die Forschungslage sehr dünn, ergänzte Carolin Manns. Jüdisches Leben auf dem Land sei insgesamt sehr viel schlechter erforscht als das städtische Judentum, aussagekräftiges Material über den Alltag von Frauen sei noch sehr viel rarer. Trotzdem lege die Ausstellung auch Wert auf die Perspektive der Frauen. Beeindruckendes Beispiel sei so die Geschichte von Henriette Gerson, welche als eine der ersten Frauen im Oberweseler Stadtrat vertreten war und somit das öffentliche Leben der Stadt wesentlich mitgestaltet hatte.
Foto links: In der aktuellen Sonderausstellung gewähren biografische Erzählungen Einblicke in persönliche Schicksale. Foto rechts: Im Studienraum kommen auch ernste Themen zur Sprache: Wie ist es um die Zukunft des Erinnerungsortes bestellt? (Foto: SPD-Landtagsfraktion RLP)
Nur wenig Zeit blieb an diesem Morgen dann für die kritischen Themen des Vereins, nämlich: „Wie kann die Arbeit dieses wichtigen regionalen Erinnerungsortes auch in Zukunft sichergestellt sein?“ Die Arbeit in und um die Synagoge herum lastet auf den Schultern weniger und die Sorge, den Aufgaben schon bald nicht mehr gerecht werden zu können, wiegt schwer. Eine immerwährende Herausforderung bleibt außerdem die Finanzierung des Gebäudes und auch personeller Kosten. Zwar konnte in der Vergangenheit durch Projektfördermittel und die Zuwendung der Landeszentrale für politische Bildung viel erreicht werden, doch eine langfristige Perspektive existiert nicht. Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Tamara Müller versicherten: „Wir haben Laufersweiler nun auf dem Schirm!“ Gerne würden die beiden den Austausch über die Zukunft des Vereines fortsetzen.