Tag des offenen Denkmals - Offenes Gespräch mit den Kandidaten für das Amt des Verbandsbürgermeisters

Tag des offenen Denkmals - Offenes Gespräch mit den Kandidaten für das Amt des Verbandsbürgermeisters

Am zweiten Sonntag im September findet jährlich der Tag des Offenen Denkmals statt. Unter dem Motto „KulturSpur“ lud der bundesweite Aktionstag in diesem Jahr wieder dazu ein, sich auf die Spuren der Vergangenheit zu begeben. Auch die ehemalige Synagoge in Laufersweiler öffnete an jenem Tag ihre Türen, und nahm diesen zum Anlass, den Bogen in Gegenwart und Zukunft zu spannen. Denn der Förderkreis hatte zum offenen Gespräch geladen mit den Kandidaten, die sich aktuell um das Amt des Verbandsgemeindebürgermeisters in Kirchberg bewerben. Die zentralen Fragen des Abends: Woran und warum sollten wir uns erinnern? Und wie kann die Verbandsgemeinde zu einer gelungenen und aktiven Erinnerungskultur in der ehemaligen Synagoge beitragen?

Schon in der Vorstellungsrunde öffneten die Kandidaten ihre persönlichen Erinnerungsschubladen und ließen die Anwesenden an ihren ersten Begegnungen mit der deutsch-jüdischen Vergangenheit teilhaben. So hatte für den einen der jüdische Friedhof in Kindertagen als Abenteuerspielplatz gedient, ein anderer in seiner Ausbildungszeit bei der Restaurierung der Synagoge geholfen. Manche gaben jedoch auch zu, noch nie eine Synagoge besucht zu haben oder auch im Familienkreis mit zum Teil schwierigen Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus konfrontiert gewesen zu sein. Guido Scherer resümierte nachdenklich, dass Erinnerungen nicht immer nur positiv seien, sondern manchmal auch schmerzhaft, weswegen wir uns allerdings nicht davor scheuen dürften, sie immer wieder bewusst ins Gedächtnis zu rufen und auch als Mandatsträger eindeutig Stellung gegen Rassismus, Antisemitismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu beziehen.

Foto: Gemeinsam mit den Bewerbern (von links) Ralf Kauer, Peter Müller, Guido Scherer, Markus Bongard und Werner Wöllstein sprachen der Vorsitzende Christof Pies und die Bildungsreferentin des Förderkreises, Carolin Manns (ganz links), über die Bedeutung der Erinnerungskultur.

Der Austausch verdeutlichte, dass es neben individuellen Erinnerungen auch gemeinsame Erinnerungen gibt, die eine Gemeinschaft prägen und identitätsstiftend wirken. Die Kandidaten erwähnten hier z.B. den Zuzug der Spätaussiedler, der viele Hunsrück-Gemeinden in den 1990er Jahren vor große Herausforderungen stellte und bis heute fortwirke. Von Bedeutung seien aber auch die einstigen Grenzen zwischen evangelischer und katholischer Konfession sowie die Überwindung dieser Spaltung. Peter Müller betonte überdies das rege ehrenamtliche Vereinsleben, das den Gemeindeverband seit jeher auszeichne und dazu beitrage, Menschen zusammenzubringen. In den Antworten aller Kandidaten klang mit, welche Werte sie in ihrer politischen Arbeit vertreten wollen: Als zentral gelte ein offenes Miteinander und der Dialog, für den Toleranz, Empathie und gegenseitiger Respekt unabdingbar seien.

Doch wie kann eine Förderung der Erinnerungskultur in der Verbandsgemeinde konkret aussehen? Werner Wollstein verwies darauf, dass es bereits eine sehr rege Erinnerungsarbeit gebe, die z.B. in der Verlegung von Stolpersteinen in Kirchberg, der Einrichtung eines Erinnerungsweges oder auch bei Gedenkveranstaltungen zum Ausdruck komme. Auf diese könne auch in Zukunft weiter aufgebaut werden. Viel Zustimmung fand der Vorschlag von Ralf Kauer, Erinnerung und Tourismus zu kombinieren und wichtige Erinnerungsstätten der Verbandsgemeinde über Wanderwege zu verbinden. Dadurch könne nicht nur ein Bewusstsein in der Gemeinde geschaffen, sondern die Geschichte auch stolz nach außen präsentiert werden. Einig waren sich die Kandidaten darin, dass auch die junge Generation vermehrt in den Blick genommen werden müsse. Bongard betonte, dass demokratisches Bewusstsein bereits im Kleinen beginne. Dieses müsse im Alltag in Kindergärten, Schulen und Vereinen „trainiert“ werden. Zurückhaltend zeigten sich die Kandidaten jedoch mit Versprechungen in Form von finanzieller Unterstützung, die letztlich in den Händen auch der kommunalen Körperschaften liege. Alle versicherten, dass nach dem 1.3.2023, dem Dienstantritt des neuen Verbandsgemeindebürgermeisters, die Tür jederzeit offen stünde für die Anliegen der regionalen Erinnerungskultur im Forst-Mayer Zentrum für das Landjudentum. Auch wenn gewisse Einflussbereiche beschränkt seien: Ernst nehme man den Auftrag, Vorbild zu sein und auch im eigenen Handeln als Vorbild zu wirken.

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto links: Pfarrer Nikolaus Molitor (von 1935 bis 1939 in St. Laurentius, Laufersweiler, hier mit einer Gruppe Kommunionkinder 1935) gewährte der Familie Joseph während der Reichspogromnacht 1938 Unterkunft. Foto rechts: Familie Joseph vor ihrem Haus in der Kirchgasse in Laufersweiler, um 1936.

Anschließende Wortmeldungen und Fragen aus dem Publikum unterstrichen die Relevanz des Themas: Denn was vergangen sei, sei nicht vorüber. Der eigens aus St. Wendel angereiste Dr. Wolfgang Müller verdeutlichte dies am Beispiel seines Verwandten, dem Priester Nikolaus Molitor in Laufersweiler, der in der Reichspogromnacht 1938 die Familie Joseph gegenüber der katholischen Kirche rettete, dessen Schwester jedoch dem Krankenmordwahn der Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Jede neue Generation werde mit ähnlichen gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere Bemühungen um die Integration von Minderheiten und das Stärken des Zusammenhalts in Krisenzeiten seien jetzt so aktuell wie vor 100 Jahren, betonten mehrere Mitdiskutierende. Erinnerungskultur zu fördern heiße auch demokratisches Bewusstsein zu fördern. Christof Pies betonte abschließend die Bedeutung der ehemaligen Synagoge im Besonderen, die nicht nur eine wichtige regionale Funktion habe, sondern auch nach außen hin das Gesicht der Gemeinde präge. Regelmäßig besuchten Gäste aus ganz Deutschland und der Welt Laufersweiler, um sich über das Landjudentum zu informieren und aus dessen Geschichte für heute und morgen zu lernen. Das Engagement um die Synagoge und sein einmaliges Erinnerungsensemble werde weltweit als beispielhaft wahrgenommen. Der Erinnerungsort sei daher auch eine Chance für die Hunsrückregion, die damit ausgezeichnet und gestärkt werde.