Neue Broschüre: Auf den Spuren der Familie Joseph

Hans-Werner Johann: Chronik der jüdischen Familie Joseph aus dem Rheinland

 

Unser nimmermüdes Mitglied Hans-Werner Johann hat in Archiven neues Material zur Familie Joseph aus Laufersweiler entdeckt und in einer 58-seitigen Broschüre ("Laufersweiler Hefte 7") verarbeitet. Er geht in seiner Chronik bis auf die dokumentarisch belegten Vorfahren der Familie und ihrer Lebensbedingungen in Trier im frühen 18. Jh. zurück und zeichnet dann den Weg in den Hunsrück nach, wohin der Viehhändler und Metzger Emanuel Salomon Joseph nach seiner Heirat 1857 mit Carolina Löser aus Laufersweiler zog.  Der 1863 geborene August Joseph, seit 1889 verheiratet mit Amalia Rosenthal aus Künzelsau, übte das Metzgerhandwerk aus. Der ideenreiche und kreative Händler handelte zudem mit Mehl, Kohle und Tierfutter, bevor er um 1890 eine Mazzenbäckerei eröffnete. 

Johann versteht es kenntnis- und dokumentenreich in das Landjudentum einzutauchen und die Umstände zu schildern, unter denen die Familie einen bescheidenen sozialen Aufstieg schaffen konnte, aber in der Zeit des NS-Rassenwahns verfolgt und größtenteils ermordet wurde.

 

Ein Großbrand in einer nachbarlichen Scheune der Kirchgasse im Jahre 1917 griff auf das Anwesen Joseph über und bedeutete einen tiefen Einschnitt in der Familiengeschichte - Wohnhaus und Mazzenbäckerei wurden zerstört. Sohn Sally Joseph stieg mit ins Geschäft ein und machte sich an den Wiederaufbau, der 1920 beendet war. Neue Eisenbahnlinien schufen bisher unbekannte Handelsbeziehungen bis ins benachbarte Ausland, zudem brachte eine Großhandelserlaubnis für landwirtschaftliche Samen (Klee, Gras, Rüben, Kräuter) neue Einnahmequellen. Das private Glück nach der Heirat mit der in Kirchberg geborenen Irma Gerson und der Geburt von Tochter Ruth (geb. 1921) währte nicht lange. Bereits 1922 verstarb Irma, Sally heiratete 1924 noch einmal die aus Kirf stammende Gertrude Hayum, 1925 kam Sohn Heinz zur Welt. 1930 brach in der Scheune ein weiteres Feuer aus, auch die Stallungen wurden ein Raub der Flammen. 

Die antijüdischen Verordnungen, der schnell um sich greifende Judenhass, die Welt-Wirtschaftskrisen und der frühe Tod von Sally Joseph 1934 stürzten die Familie in eine andauernde Krise.  Heinz Joseph ging nur noch in Begleitung oder in einer Gruppe in die Schule: Steine werfende Jugendliche, Diskriminierungen durch den Lehrer und Hänseleien waren nun an der Tagesordnung. Heinz hat all dies in seinen detaillierten Erinnerungen direkt nach 1938 und noch einmal in den 1980er Jahren notiert und Herrn Johann zur Verfügung gestellt. Ein langes Interview der Shoah-Foundation von Steven Spielberg mit Henry Joseph liegt in der Synagoge Laufersweiler vor und ist ein einmaliges Zeugnis dafür, wohin Hass und Hetze führen können. 

Die Bar Mizwa-Feier von Heinz am 8.9.1938 war die letzte gemeinsame Feier der Familie: Ruth zog zu Verwandten nach Amsterdam, Heinz nach Luxemburg. Die Pogromtage um den 9.11.1938 waren von unglaublichen Grausamkeiten geprägt. Das Titelbild von Johanns Publikation zeigt das Haus Joseph nach der Pogromnacht, heimlich aufgenommen vom gegenüber liegenden katholischen Pfarrhaus, wo Pastor Molitor der bedrängten Familie Zuflucht gewährte und sie vor weiteren Misshandlungen schützte - ein seltenes Beispiel für Menschlichkeit den verbliebenen Dorfjuden gegenüber. Der Bericht von Heinz über diese Tage ist ein erschreckendes Beispiel dafür, wie der Antisemitismus in offene Gewalt umschlug. 

Ruth und ihre Mutter wurden schließlich deportiert und ermordet, Heinz konnte Auschwitz überleben und wurde in Bergen-Belsen befreit. Die Anträge auf Wiedergutmachungen zogen sich bis 1953 hin. Heinz - nun Henry - emigrierte schließlich in die USA und baute sich in Buffalo eine neue Existenz als Autohändler auf. Erst als er in Rente ging, beschäftigte er sich intensiv mit dem Schicksal seiner Familie und stellte Herrn Johann unzählige Dokumente zur Verfügung. Henry starb im Jahre 2002. 

Im Januar 2024 meldete sich Henrys Sohn Martin Joseph aus Seattle beim Förderkreis und bot diesem weitere Dokumente an. Er möchte sehr bald mit seinen Töchtern Laufersweiler besuchen - Anlass für das Studienzentrum, für 2025 eine Begegnung mit Nachfahren von Hunsrücker jüdischen Familien zu initiieren.