Ein Meilenstein in der Geschichte Gemündens?

Im Sommer 2023 besuchte Karen Ochs-Amsterdam aus San Diego (USA) den Geburtsort ihrer "Omi Helene". Sie forschte nach ihren Wurzeln, fand aber niemanden, der ihr etwas über die Häuser, den Standort der Synagoge oder den neuen Friedhof berichten konnte. Sie wandte sich schließlich an den Förderverein der Synagoge Laufersweiler, der ihr mit Hilfe von Doris Wesner, Hans-Werner Johann und unzähligen Archivmaterialien die meisten Fragen zu ihren Vorfahren beantworten konnte. Die tragischen Geschichten der sieben Familien Ochs ließen ihr keine Ruhe: Sie kam noch einmal am 23.5.2024 in die "Perle des Hunsrücks", in der ihre Omi die Zeit bis zu ihrer Heirat (1926) mit dem jüdischen Religionslehrer Moses Amsterdam aus Polen verbracht hatte. Durch Zufall kam die Gruppe mit Heiko Kießinger ins Gespräch, der den früheren "Gasthof zur Post" und das ehemalige Synagogengrundstück wenige Jahre zuvor erworben und anschließend mustergültig renoviert hatte. Frau Ochs-Amsterdam schilderte ihre tragische Familiengeschichte und brachte zum Ausdruck, dass es doch 80 Jahre nach Kriegsende ein Denkmal für die vielen ermordeten Gemündener Juden und Jüdinnen geben müsse. Beim Besuch des außerorts gelegenen jüdischen Friedhofes traf man auf eine 2003 errichtete und nun mit Efeu überwachsene Stele, die an die "jüdischen Mitbürger" erinnern soll. Ein "Volksentscheid" über die Verlegung von Stolpersteinen war 2016 mehrheitlich abgelehnt worden, die Diskussion um ein Denkmal wurde damit vorerst beendet.  

EvEhepaar Kießinger mt dem Denkmala und Heiko Kießinger willigten im Gespräch sofort ein, dass der Förderkreis ein Denkmal inmitten des Dorfes auf dem Synagogengrundstück errichten könne. Das Modell war schnell entworfen, ein Metallbetrieb und Handwerker gefunden und auch Sponsoren, die das Denkmal mitfinanzierten: Die Andarta-Stiftung, Privatpersonen und die Landesarbeitsgemeinschaft der Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz (jetzt der Verein "Erinnern und Gedenken") trugen insgesamt zur Hälfte der Kosten bei. Versuche, die Gemeinde mit ins Boot zu nehmen, schlugen leider fehl. Erst wenige Tage vor Eröffnung des Denkmals meldete die Bürgermeisterin Elke Roos Mitglieder des Gemeinderates für die Eröffnung an. Der Verein  "Bürger für Gemünden" war dagegen sofort mit von der Partie und übernahm die Bewirtung am Eröffnungstag 2.2.2025. 

Das Denkmal ist bewusst bescheiden gehalten, das Privatgrundstück lässt keine Begehung zu, der Text soll auch in der Dunkelheit mit Beleuchtung von der sehr engen Straße aus sichtbar sein und die wichtigsten Fakten zur jüdisch-deutschen Geschichte Gemündens enthalten. Als Ergänzung wird sehr bald ein QR-Code mit Link zu einer Website ausführlich über die jüdische Geschichte des "Fleckens" abrufbar sein. Im Mittelpunkt steht die erstmalige Recherche der bisher erforschten mindestens 34 Gemündener Opfer der NS-Terrorherrschaft, unter ihnen der 1942 auf offener Straße in Gemünden erschlagene Jacob Metzler und Eugen Ochs, der als Geisel 1944 in der Dordogne von der SS erschossen wurde.  Als Symbol wählte der Förderkreis die Menora als religiöses Zeichen für die ehemalige Synagoge, die vom 18. Jh. bis zur Reichspogromnacht am 9.11.1938 an dieser Stelle stand und Mittelpunkt der zeitweise 178 Mitglieder der jüdischen Gemeinde darstellte. 

Der Förderkreis hatte am Nachmittag des 2. Februar mit ca. 80 Besuchern gerechnet, fast doppelt so viele kamen. Eine Journalistin meinte: "Das kann ein Meilenstein in der Geschichte Gemündens werden". Der SWR berichtete am 31.1.2025 in den TV-Abendnachrichten über das bevorstehende Ereignis, die Rhein-Hunsrück-Zeitung widmete der Eröffnung eine ganze Seite. Viele prominente Gäste aus Politik und Kultur waren der Einladung gefolgt. Die Fraktionen des Kreistages waren fast vollzählig vertreten, nur die AfD-Fraktion ließ nichts von sich hören. Warum wohl, will sie eine andere Erinnerungskultur ohne die Schattenseiten der deutschen Geschichte?

Gedenkveranstaltung in der KulturscheuneGrußworte sprach der aus Gemünden stammende Landrat Volker Boch, der als erster 1995 über die "Juden in Gemünden" recherchiert hatte. Die Antisemitismusbeauftragte Monika Fuhr in Vertretung des Ministerpräsidenten Schweitzer ordnete die Veranstaltung in den größeren landesgeschichtlichen Kontext ein und Avadislav Avadiev als Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden betonte die Bedeutung des Denkmals für die heute in Rheinland-Pfalz lebende jüdische Gemeinschaft.  Dr. Stephanie Schlesier aus Berlin ging in einem Kurzreferat vor allem auf die sozio-ökonomischen  Hintergründe der Juden in Gemünden des 19. Jh. ein, der Förderkreis auf die Entstehungsgeschichte des Denkmals und die außergewöhnlichen Aktivitäten der NSDAP im Ort. Die in Gemünden beheimateten MusikerInnen Carsten Braun und Sarah Hickethier sowie die Schülerin Melissa Feiden (IGS Kastellaun) trugen mit ihren gefühlvoll vorgetragenen poppigen sowie jiddischen und jüdischen Liedern maßgeblich zur Einmaligkeit des Nachmittags bei. 

Fotos: Werner Dupuis