Tuerbogen
Religiöses Leben
Restaurierung der Türbogeninschrift der Synagoge Laufersweiler: "Wie schön sind deine Zelte, Jakob, und deine Wohnungen, Israel" (Numeri 24,5). Foto: Werner Dupuis

Kleine jüdische Gemeinden

Anders als in den jüdischen Gemeinden der Städte waren die Voraussetzungen für ein geregeltes Gemeindeleben in den zersplitterten Siedlungen auf dem Lande denkbar schlecht. Oft durften sich nur vier bis fünf Familien in einem Dorf niederlassen. Um einen Gottesdienst zu feiern, bedarf es jedoch eines Minjans, der Zusammenkunft mindestens zehn religionsmündiger Männer. Wichtige religiöse Institutionen wie z.B. eine Synagoge oder eine Mikwe konnten vielerorts nicht errichtet werden. Nur mit Kreativität, Flexibilität und Notbehelfen gelang der Transfer jüdischer Glaubenstraditionen in den ländlichen Bereich. Die Ausübung der Religion und auch das Studium fanden daher überwiegend im privaten Raum und in kleinen, in Privathäusern eingerichteten Betstuben statt. Die Mehrzahl der Synagogenneubauten im Hunsrück entstand erst Mitte des 19. Jahrhunderts.

"Die hiesige Religionslehrer-, Kantor- und Schächterstelle ist baldigst zu besetzen"

"Die hiesige Religionslehrer & Kantorstelle ist bis zum 1. Oktober zu besetzen. Gehalt 900 Mark nebst circa 200 Mark Nebenverdienst und freier Wohnung. Bewerber, welche auch Schochet sein sollen, müssen im Besitze von Elementarlehrerzeugnissen sein und wollen mit Beifügen der Zeugnisse sich beim Vorstand melden. Laufersweiler, 7. August (1901) Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde"

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. August 1901

Die Landgemeinden des Hunsrücks konnten sich in der Regel keinen ausgebildeten Rabbiner "leisten". Wenn vorhanden, waren es die jüdischen Lehrer, die neben dem Hebräisch- und Religionsunterricht weitere zentrale Funktionen in der Gemeinde erfüllten. Ausschreibungen zeigen, dass die Stelle des Lehrers, wie z.B. in Laufersweiler, oft auch mit der Tätigkeit des Vorbeters und des Schochets, also des Schächters, verbunden war.

Konservierte Tradition

Angesichts des Mangels solcher Träger der religiösen Lehre lag das Bewahren der jüdischen Herkunft und Kultur in der Verantwortung jedes Einzelnen. Infolgedessen entwickelte sich auf dem Lande eine ausgesprochene Frömmigkeit, gekennzeichnet durch ein eher starres Festhalten an einem Kanon jüdischer Bräuche und Traditionen. Ein das urbane Judentum kennzeichnende Studium der Schrift, und die damit verbundene stetige Neuauslegung und Diskussion, fanden auf dem Lande lange nicht statt. Mittelpunkt des Landjudentums bildete stattdessen die religiöse Praxis, das Brauchtum wurde vielfach mündlich weitergegeben und so konserviert. Reformbewegungen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Städten entstanden, entfalteten sich auf dem Land nur zögerlich. Doch auch im Hunsrück entwickelten sich allmählich Unterschiede in der Religionsausübung: Während die Gemeinde Simmern mit Harmonium und Chorgesang sich scheinbar am liberalen Judentum orientierte, blieb man andernorts dem konservativen Judentum treu. Wird 1930 von den Juden in Werlau berichtet, sie würden „zäh am Alten festhalten“, alle „streng koscher leben und ihren Betsal fleißig benutzen“, sollen Kastellauner Juden am Schabbat so weltlichen Vergnügungen wie dem Kegeln nachgegangen sein.

Der wichtigste Feiertag des Judentums

Die preußischen Judenedikte von 1812 und 1847 gewährten den Juden im Rheinland Niederlassungs- , Handels- und Gewerbefreiheit und markierten den Beginn einer Annäherung an die christliche Mehrheitsgesellschaft. Insbesondere auf dem Land wohnten und arbeiteten Juden und Christen eng zusammen, gestalteten das soziale und wirtschaftliche Leben in den Dörfern und Kleinstädten gleichermaßen mit. In der Lebensweise unterschied man sich jedoch nach wie vor deutlich voneinander. Die Einhaltung von Bräuchen, Festen und Feiertagen bildete einen wichtigen Kontrast zum gemeinsamen Alltag. Am Schabbat, dem wöchentlichen Fest- und Ruhetag, versammelte sich die Gemeinde in der Synagoge, um wieder zu sich zu finden und die Tora zu ehren. Am Freitagabend begrüßte die Familie den Tag in einer feierlichen Zeremonie, sie holte die besten Kleider hervor und kam am festlich gedeckten Tisch zusammen. Ganz bewusst sollte sich dieser Tag von allen anderen in der Woche unterscheiden.

Die folgende Ansicht zeigt den gedeckten Schabbat-Tisch zum Kabbalat Schabbat, der Zeremonie zum "Empfang des Schabbats" am Freitagabend. Die markierten Punkte halten weitere Erklärungen über die Bedeutung der Gegenstände und den Ablauf der Zeremonie bereit.

In der Slideshow enthalten sind jene Ritualia, die sowohl den Schabbat begleiten, als auch das tägliche Gebet und die Religionsausübung im privaten Raum repräsentieren.

Segensspruch zum Beginn des Schabbats

Gesegnet bist du mein Herr,
Unser Gott, König der Welt
Der uns in seinen Geboten segnete
Und uns befahl eine Kerze des Schabbats zu zünden
Amen